
Das Thema „kommunale Wärmewende“ beschäftigt die Kommunen zunehmend. Was bedeutet das für EWR?
Um das angestrebte Ziel der Bundesregierung – völlige Klimaneutralität bis 2045 – zu erreichen, bedarf es umfangreicher Investitionen in bestehende und neue Verteilnetze. Die Energieversorgung der Zukunft fußt maßgeblich auf einer intelligenten Nutzung von unvermeidbarer Abwärme in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sowie regenerativer Energiequellen wie Sonne, Wind, Biogas, Geothermie und Wasserstoff. Das bedeutet auch, dass Versorgungsinfrastrukturen für Strom und Gas beziehungsweise Wärme künftig nicht einzeln, sondern gemeinsam betrachtet und auf neue Anforderungen vorbereitet werden müssen.
Was geschieht mit den bestehenden Gasnetzen, wenn es künftig vermehrt Fernwärme- und Wärmepumpenlösungen geben wird?
Niemand kann derzeit mit Sicherheit sagen, wo sich welche Wärmeinfrastruktur zukünftig durchsetzen wird. Allein im Versorgungsgebiet der EWR Netz GmbH mit einem mehr als 2.200 Kilometer großen Gasnetz beliefern wir rund 55.000 Verbrauchsstellen mit Erdgas. Die gute Nachricht ist: Die bestehenden Gasversorgungsstrukturen können größtenteils auch für klimaneutrale Alternativen genutzt werden, indem sie beispielsweise auf grünen Wassersoff (H2) oder Biomethan umgestellt werden. Neben einer Beimischung von H2 von bis zu 20 Prozent ist auch eine Umstellung auf 100 Prozent H2 in bestehenden Gasnetzen mit überschaubaren Kosten technisch machbar. Leider fehlt es aktuell aber noch immer an politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen.
Wie will EWR sicherstellen, dass bei der Dekarbonisierung der Gasnetze künftig neben privaten Haushalten auch Industrie- und Gewerbekunden weiterhin zuverlässig mit der nötigen Energie versorgt werden?
Für die zukünftige Energieversorgung sind vor allem lokale Gegebenheiten im Versorgungsgebiet ausschlaggebend. Hier setzt die kommunale Wärmeplanung an. Dabei werden zunächst der Wärmebedarf sämtlicher Gebäude als auch die vorhandene Versorgungsstruktur im Gemeindegebiet in den Blick genommen und im darauffolgenden Schritt Potenziale und Zielszenarios für eine klimaneutrale Versorgung ermittelt. Um Kommunen bestmöglich bei der anstehenden Wärmeplanung zu unterstützen, arbeitet EWR bereits heute an einem „Gasnetzgebietstransformationsplan“, kurz GTP, der als zentrales Planungsinstrument eine wichtige Grundlage für die zukünftige Wärmeversorgung von Haushalten, öffentlichen Gebäuden, Gewerbe und Industrie darstellt. Mit dem GTP sind wir als Gasverteilnetzbetreiber in der Lage, auf Grundlage von Wärmebedarfen ein konkretes Zielbild für eine klimaneutrale Gasnetzinfrastruktur in unserem Versorgungsgebiet herzuleiten.
Und wie sieht es mit dem Stromnetz aus? Ist dieses denn dem Hochlauf von Wärmepumpen und E-Mobilität sowie den erhöhten Einspeisezahlen der Erneuerbaren gewappnet?
Tatsächlich spielt der Stromsektor schon heute eine wesentliche und zukünftig zunehmend wichtige Rolle im Zuge der Energie-, Mobilitäts- und Wärmewende. Der Anteil dezentral erzeugter und eingespeister erneuerbarer Energie in unser Stromnetz nimmt stetig zu. Die Verteilnetze müssen künftig technisch in der Lage sein, sowohl diese zunehmende Einspeisung als auch den erhöhten Strombedarf aus den Bereichen Wärme und Mobilität gleichzeitig zu bewältigen. Dafür bedarf es neben einer ausreichenden Dimensionierung der Netze auch intelligenter Steuerungslösungen. Insbesondere die Netzintelligenz hilft dabei, ineffiziente Investitionen im Netzausbau zu vermeiden und durch Flexibilität, Speicher und intelligente Messsysteme sowie dynamische Tarife eine optimale Auslastung der heute schon vorhandenen Infrastruktur zu gewährleisten.
„Die Transformation der Wärmeversorgung braucht einen allumfassenden planerischen Blick, um perspektivisch Erzeugung und Verbrauch zusammenzuführen und die notwendigen Infrastrukturen dafür bereitzustellen.“
Andreas Underbrink, Leiter EWR-Netzstrategie
Andreas Underbrink leitet seit 2020 die Abteilung Netzstrategie bei EWR Netz. Der Ingenieur weist langjährige Erfahrung der Energiebranche auf und plant den notwendigen Aus- und Umbau der Verteilnetze in der Region.
Wasserstoff als neuer Energieträger?
Im Rahmen der Energiewende und den ambitionierten Klimazielen, die sich die Bundesrepublik Deutschland gesetzt hat, werden alternative Optionen zu den derzeit eingesetzten fossilen Energieträgern benötigt und effiziente Energiespeichertechnologien gesucht. Der Energieträger Wasserstoff ist dabei von entscheidender Bedeutung, denn er kann sektorenübergreifend bis hin zur Wärmeversorgung verwendet werden. Zudem bietet die bereits bestehende Gasinfrastruktur ohne große technische Anpassungen von der Einspeisestelle über das Verteilnetz bis hin zur Schnittstelle zum Netzkunden ein großes Potenzial. Zentrales Planungsinstrument für die Dekarbonisierung der Gasverteilernetze ist der sogenannte Gasnetzgebietstransformationsplan (GTP). Neben einem konkreten Zielbild für eine klimaneutrale Gasnetzinfrastruktur werden dabei gleichzeitig erste konkrete Schritte zur Umstellung der Erdgasnetze auf Wasserstoff unternommen.